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Ernährung bei Schluckstörungen

von Flora Koller (Autor:in) Martina Kreuter-Müller (Autor:in) Caroline Janac (Autor:in) Magdalena Tomic (Autor:in)
170 Seiten

In Kürze verfügbar

Zusammenfassung

So vielfältig ihre Ursachen auch sind, Schluckstörungen haben eines gemeinsam: Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ist erschwert – mit zahlreichen möglichen Folgen für Körper und Psyche.
Die Ernährungstherapie deckt dabei nicht nur den täglichen Energiebedarf, sondern hilft auch, die Lust am Essen und die Lebensqualität zu steigern. Dieses Buch bietet viele Tipps und Techniken zum richtigen Kochen, Essen und Trinken sowie zahlreiche Rezepte für Pikantes, Süßes, Suppen und Saucen.

IHR PLUS
• 120 Rezepte für alle Schluckstufen
• Zubereitungstipps und Hilfsmittel für die Küche
• Übersichtstabellen zur Lebensmittelauswahl
• Tipps bei begleitenden Beschwerden
• Mit gratis Einkaufslisten-App

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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DER SCHLUCKVORGANG

Essen und Trinken nehmen einen wichtigen Stellenwert im Leben ein - zum einen dienen sie der Ernährung, und zum anderen sind gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse meist mit Mahlzeiten verbunden. Speichel, Getränke und Speisen werden dabei normalerweise ohne viel darüber nachzudenken geschluckt. Wir schlucken durchschnittlich etwa 1000 Mal pro Tag. Dieser Vorgang erfordert in der Regel keine besondere Aufmerksamkeit und läuft meist nebenbei. Sich während einer Mahlzeit zu unterhalten, beim Radfahren zu trinken oder im Gehen einen Apfel zu essen, ist scheinbar nichts Besonderes.

Aus physiologischer Sicht ist der Schluckvorgang aber ein sehr komplexer Ablauf. Verschiedene Gehirnstrukturen und einige Hirn- und Rücken-marksnerven sorgen für die Steuerung der unten aufgeführten Strukturen (siehe Abbildung). Dabei arbeiten etwa 50 Muskelpaare folgender Regionen so zusammen, dass Speichel, Getränke und Nahrung sicher und rasch vom Mund zum Magen transportiert werden können:

Der Schluckapparat

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Um den Schluckvorgang beschreiben zu können, wird er in der Medizin in vier Phasen unterteilt. Diese laufen teils bewusst steuerbar und teils reflektorisch1 ab und werden hier beschrieben:

Schluckphasen
Vorbereitungs-phase (orale Vorbereitungs-phase) Die Speise wird gekaut und geformt, bis sie eine Konsistenz hat, die geschluckt werden kann.
Dabei sind die Lippen geschlossen, die Wangen angespannt, Kiefer und Zunge machen kreisende Bewegungen. Das Gaumensegel schließt die Mundhöhle gegen den Rachen ab.
Mund-Phase (orale Phase) Die Zunge bringt den Schluck zwischen sich selbst und dem Gaumen in Position. Das Gaumensegel schließt die Mundhöhle zu Beginn noch gegen den Rachen ab, beginnt dann aber bereits, den Weg freizugeben.
Der Eingang zur Luftröhre ist noch geöffnet.
Rachen-Phase(pharyngealePhase) Sobald der Speisebrei weit genug in den Rachen transportiert wurde, wird der Schluckreflex ausgelöst. Jetzt setzen die reflektorischen Bewegungsabläufe ein und der weitere Verlauf kann nicht mehr bewusst gesteuert werden.
Das Gaumensegel dichtet zusammen mit der hinteren Rachenwand den Nasenraum ab. Der Speisebrei wird durch Bewegungen der Zungen- und Rachenmuskulatur weitertransportiert. Währenddessen senkt sich der Kehldeckel, und Schleimhautfalten über dem Kehlkopf sowie die Stimmbänder schließen den Eingang zur Luftröhre ab - ein Schutz vor dem Eindringen des Schluckguts in die Luftwege entsteht. Der Speisebrei wandert nun in die Speiseröhre. Die Schleimhautfalten im Rachen und die Stimmbänder öffnen wieder. Die Atemwege sind somit wieder frei.
Speiseröhren-Phase (ösopha- geale Phase) Der Transport durch die Speiseröhre erfolgt durch zwei Muskelkontraktionswellen, die den Speisebrei in den Magen transportieren. Somit ist der Schluckvorgang abgeschlossen.

Der in der Tabelle beschriebene Ablauf wird durch sensible Rückmeldungen aus Mund, Rachen und Kehlkopfbereich stets angepasst. So ist beispielsweise der Ablauf des Schluckvorgangs bei einem Schluck Wasser nicht identisch mit dem Ablauf bei einem Bissen hartem Brot oder wenn versehentlich eine zu heiße Kartoffel in den Mund genommen wurde.

1 reflektorisch = durch einen Reflex bedingt; auf diesen Abschnitt des Schluckvorgangs kann bewusst kein Einfluss genommen werden.

SCHLUCKSTÖRUNG - DYSPHAGIE

Verschiedene Erkrankungen und Schädigungen können dazu führen, dass die zuvor in der Tabelle beschriebenen Abläufe nicht mehr problemlos funktionieren. Man spricht dann von einer Schluckstörung. Der Fachbegriff lautet Dysphagie, abgeleitet aus dem griechischen „phagein" für „essen" und der Vorsilbe „dys-" für „gestört".

Der Transport von Speichel, Getränken und Nahrung vom Mund zum Magen ist in diesem Fall beeinträchtigt. Es besteht die Gefahr, dass Speichel oder Anteile von Speisen und Getränken in die Atemwege gelangen. Dort können sie zu Entzündungen und im Akutfall zu Erstickungsanfällen oder Atemnot führen.

Neben dieser Gesundheitsgefährdung, die von einer Schluckstörung ausgeht, ist beim Trinken und Essen auch der Genuss häufig beeinträchtigt. Eine Dysphagie kann darüber hinaus dazu führen, dass betroffene Personen Einschränkungen im sozialen Leben erfahren.

Haben Sie keine Sorge, nur noch „Einheitsbrei" essen zu dürfen! Die Vorschläge im Rezeptteil sollen Ihnen trotz Dysphagie und Kostanpassung zu genussreichem Essen und Trinken verhelfen.

Das Schlucken ist beim Menschen so störanfällig, weil Atem- und der Speiseweg über eine weite Strecke hin gleich verlaufen, bevor sie sich im unteren Rachen kreuzen, wie in der Abbildung auf S. 9 zu erkennen ist. Selbst gesunde Personen können sich daher verschlucken, wenn sie beispielsweise unkonzentriert sind oder wenn sie während des Essens lachen müssen.

Ursachen von Schluckstörungen

Neurologische, internistische sowie Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen und manche medizinischen Maßnahmen können zu Schluckstörungen führen, sodass es überdurchschnittlich häufig zum Verschlucken kommt und daraus eine Gesundheitsgefährdung entsteht. In der folgenden Tabelle sind solche Erkrankungen aufgeführt. Darüber hinaus steigt - unabhängig von Grunderkrankungen - im höheren Alter generell das Risiko an, eine Schluckstörung zu entwickeln.

Häufige Ursachen für Schluckstörungen
Neurologische Erkrankungen Schlaganfall Mangeldurchblutung im Gehirn oder Hirnblutung; etwa die Hälfte der Betroffenen hat in der Akut-phase eine Schluckstörung.
SchädelHirn-Trauma Verletzung des Schädels und des Gehirns infolge eines Unfalls (z. B. Verkehrsunfall, Sturz etc.); durch Blutungen oder Schwellungen im Gehirn tritt bei ca. 50-60 % der Betroffenen eine Dysphagie auf.
Hirntumoren Je nach Lage des Tumors, zusätzlichen Schädigungen durch Strahlenbehandlung sowie Druck auf andere Hirnareale variieren die Angaben zur Häufigkeit von Schluckstörungen stark.
Multiple Sklerose Entzündliche Erkrankung des Gehirns; der Verlauf kann schubförmig oder von Erkrankungsbeginn an fortschreitend sein; 30-40 % der Betroffenen entwickeln im Verlauf eine Dysphagie.
Parkinson Erkrankung Fortschreitende Erkrankung, die zum Absterben bestimmter Nervenzellen führt; eine Schluckstörung tritt beim typischen Parkinson-Syndrom nicht zu Beginn der Erkrankung auf; im Verlauf zeigt sich aber bei etwa der Hälfte der Betroffenen eine Schluckstörung.
Amyotrophe Lateralsklerose(ALS) Fortschreitende Erkrankung, die zu Muskellähmungen im gesamten Körper führt; in etwa 25 % der Fälle tritt bereits zu Beginn eine Schluckstörung auf; im Verlauf kommt es fast immer zu einer Dysphagie.
Myasthenia gravis Autoimmunerkrankung, die zu belastungs- oder tageszeitenabhängiger Schwäche der Muskulatur führt; bei ca. 20 % der Betroffenen ist die Schluckstörung das Erstsymptom, im Verlauf kommt es bei ca. 50 % zu einer Dysphagie.
Muskeldystrophien Fortschreitende Muskelerkrankungen, bei denen die Häufigkeit von Schluckstörungen je nach Typ und hauptsächlich betroffenen Muskelpartien zwischen ca. 12 und 80 % schwankt.
HNO-Erkran- kungen Tumoren Eine Schluckstörung kann durch den Tumor selbst, durch die operative Entfernung von am Schlucken beteiligten Strukturen oder als Konsequenz von Bestrahlungen und Chemotherapien ausgelöst werden; unter den HNO-Erkrankungen sind Tumoren die häufigste Ursache für Schluckstörungen.
Traumata Verletzungen im Mund-, Rachen- und Halsbereich können ebenfalls Schluckstörungen verursachen.
Zenker- Divertikel Ausstülpung von Schleimhaut im unteren Rachen; kann zu Druckgefühl, Wiederhochkommen von Nahrungsanteilen, Husten beim Schlucken etc. führen; etwa 2 % der Personen, die über eine Schluckstörung klagen, haben ein Zenker-Divertikel.
Internistische Erkrankungen Erkrankungen der Speiseröhre Bewegungsstörungen der Speiseröhre, Refluxerkrankungen, Verengungen, Tumoren sowie Entzündungen der Speiseröhre können ebenfalls zu Schluckstörungen führen.
Medizinische Maßnahmen als Ursache Nebenwirkungen von Medi-kamenten Zahlreiche Medikamente (z. B. Tranquilizer, Rheuma- und Gichtmittel, Neuroleptika, Botulinum-toxin ...) können Schluckstörungen auslösen oder verstärken.
Komplikationen chirurgischer Maßnahmen Beispielsweise bei der Operation einer verengten Halsschlagader kann es zu Nervenverletzungen und damit zu Zungen- bzw. Stimmbandlähmungen kommen, die eine Schluckstörung nach sich ziehen können.
Folgen von Bestrahlung und Chemo-therapie Als Nebenwirkungen von Bestrahlung und Chemotherapie bei HNO-Tumoren treten häufig (auch oft erst Jahre nach der Behandlung) Schluckstörungen auf.
Intensivmedizinische Behandlungen Länger notwendige künstliche Beatmung führt häufig zumindest vorübergehend zu Schluck-störungen.

Symptome einer Schluckstörung

Liegt eine Schluckstörung vor, wird die hohe Störanfälligkeit des Schluckablaufes zur Gefahr, denn Speichel, Getränke oder Speisen könnten in die Atemwege gelangen.

Wird der Schluckvorgang untersucht, zeigen sich folgende Symptome:

images Leaking: Unkontrolliertes, frühzeitiges Entgleiten von Speichel-, Getränk- oder Speiseanteilen aus dem Mund oder nach hinten in den Rachen;

images Residuen: Reste von Speichel, Getränken oder Speisen, die nach dem Schlucken im Mund, im Rachen oder rund um den Kehlkopf liegen bleiben;

images Penetration: Eindringen von Speichel-, Getränke- oder Speiseanteilen in den Kehlkopf und damit in die Atemwege bis auf die Ebene der Stimmbänder;

images Aspiration: Eindringen von Speichel-, Getränke- oder Speiseanteilen in den Kehlkopf und damit in die Atemwege bis unter die Stimmbänder, also in die Luftröhre und in weiterer Folge möglicherweise in die Lunge. Die Aspiration ist das schwerwiegendste Symptom einer Dysphagie.

Der Schluckvorgang läuft verborgen in Mund, Rachen und Kehlkopf ab, und die Symptome können von außen nicht direkt beobachtet werden. Daher werden Schluckstörungen von Betroffenen und auch von Außenstehenden in unterschiedlicher Deutlichkeit wahrgenommen.

Die Wahrnehmbarkeit der Schluckstörung hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab:

images von der Sensibilität der beteiligten Strukturen;

images von der Funktion der Schutzmechanismen;

images ob die Dysphagie plötzlich oder schleichend auftritt.

In der folgenden Tabelle sind Anzeichen von Schluckstörungen beschrieben, die auf ein Eindringen von Speichel, Getränken oder Speisen in die Atemwege hinweisen können. Man unterscheidet direkte Anzeichen, welche unmittelbar vor, während oder nach einem Schluck auftreten, und indirekte Anzeichen, die allgemeine Veränderungen im Rahmen einer Dysphagie umfassen.

Anzeichen für Eindringen von Speichel, Getränken oder Speisen in die Atemwege

direkte Anzeichen indirekte Anzeichen
Husten beim/nach dem Schlucken Generell vermehrtes Husten/Räuspern
Räuspern beim/nach dem Schlucken Verstärkte Verschleimung
Raue, gurgelnde Stimme direkt nach dem Schlucken Allgemeine Stimmveränderungen
Gurgelndes Atemgeräusch Unklarer Temperaturanstieg
Atemnot, Keuchen Unerwünschter Gewichtsverlust
Bläuliche Verfärbung der Haut, erhöhte Herzfrequenz Kurzatmigkeit, Bronchitis, Lungen-entzündung, Lungenabszess
Austritt von Nahrung aus einer operativ angelegten Luftröhrenöffnung (Tracheostoma) Chronisch obstruktive Lungen-veränderungen

Treten die in der Tabelle beschriebenen direkten Anzeichen beim Schlucken von Speichel, beim Trinken oder Essen gehäuft auf oder spüren die Betroffenen selbst, dass das Geschluckte nicht den richtigen Weg nimmt, werden Schluckstörungen in der Regel schnell erkannt.

In manchen Fällen ist die Sensibilität aber so eingeschränkt, dass die Betroffenen trotz des Eindringens von Speichel, Getränken oder Speise-anteilen in den Kehlkopf, die Luftröhre oder die Lunge nicht räuspern oder husten müssen. Man spricht dann von einer „stillen Aspiration". Indirekte Anzeichen für eine Schluckstörung, die häufig dennoch auftreten, werden meist nicht so rasch bemerkt. Fallen sie auf, sollte eine zeitnahe Abklärung erfolgen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass besonders die indirekten Anzeichen auch eine Reihe anderer Ursachen haben können.

Je nach Ursache werden Schluckstörungen von Betroffenen unterschiedlich empfunden. Wenn Sie eine neurologisch bedingte Schluckstörung haben, ist Ihre Eigenwahrnehmung der Symptome möglicherweise eingeschränkt. Dadurch spüren Sie die Schluckprobleme eventuell selbst nicht oder nur wenig. Dies führt verständlicherweise häufig dazu, dass die Notwendigkeit einer Behandlung oder einer veränderten Kost infrage gestellt wird. Haben Sie eine Schluckstörung aufgrund einer HNO-Grunderkrankung, nehmen Sie die Schwierigkeiten eventuell deutlicher wahr.

HINWEIS: Unabhängig davon, ob Sie die Symptome der Schluckstörung selbst gut spüren oder nicht, ist nach eingehender Diagnostik eine Behandlung für Ihre Gesundheit und Lebensqualität sehr wichtig!

Die Symptome von Schluckstörungen sind sehr unterschiedlich. Ebenso ist individuell verschieden, welche Lebensmittel gut geschluckt werden können und welche eine große Gefahr darstellen. Dies liegt an der unterschiedlichen Beschaffenheit von Lebensmitteln. So kann es beispiels-weise sein, dass eine klare Suppe für Sie zu flüssig ist. Wenn Sie sich zusätzlich noch auf eine Suppeneinlage, wie Nudeln, Gemüse oder Kräuter, konzentrieren und sie kauen müssen, bevor sie geschluckt werden kann, ist das möglicherweise eine vorerst unüberwindliche Hürde.

Für eine andere Person mit Schluckstörung ist es hingegen vielleicht sehr problematisch, wenn Speisen zu trocken sind. So kann sich ein zu trockener Grießbrei anfühlen wie ein Sandsturm im Mund und sich an den Schleimhäuten von Wangen, Gaumen oder Rachen ankleben.

Das bedeutet, dass für manche Betroffenen eine breiige Konsistenz am besten geeignet ist, während andere Flüssigkeiten am besten schlucken können.

HINWEIS: Da sich die Schwierigkeiten und Gefahren je nach Ursache der Schluckstörung stark unterscheiden, sind immer individuelle Untersuchung und Therapie notwendig.

TIPP: Wählen Sie die für Sie passenden Rezepte in diesem Buch nach den in Ihrer Therapie gewonnenen Erkenntnissen und Empfehlungen aus. Ihre Therapeutin, Ihr Therapeut wird Ihnen dabei sicher gerne behilflich sein.

Folgen einer Schluckstörung

Mögliche medizinische Folgen einer Schluckstörung sind:

images zu geringe Flüssigkeitsaufnahme/Austrocknung;

images zu geringe oder sehr einseitige Nahrungsaufnahme/Mangelernährung;

images Lungenentzündungen;

images Erstickungsanfälle.

Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass direkte und indirekte Anzeichen für eine Schluckstörung ernst genommen werden und dass bei Vorliegen solcher Hinweise eine medizinische Abklärung und Behandlung erfolgt. Diese wird in der Regel von Neurolog:innen, HNO-Ärzt:innen und in weiterer Folge von Logopäd:innen bzw. Schlucktherapeut:innen durchgeführt.

In diesem Buch wird in weiterer Folge der Begriff Schlucktheraupeut:in verwendet, da in Österreich, Deutschland und der Schweiz jeweils unterschiedliche Ausbildungen und Berufsbezeichnungen üblich sind.

Die folgende Tabelle listet Kontaktmöglichkeiten zu spezialisierten Schlucktherapeut:innen auf:

Land Organisation Kontaktmöglichkeit
Österreich Berufsverband der österreichischen Logopädinnen und Logopäden https://logopaedieaustria.at/logopaedin-suche
www.logopaeden.at
Deutschland Bundesverband für Logopädie e. V. https://www.dbl-ev.de/service/logopaedensuche
Deutscher Bundesverband der akademischen Sprachtherapeuten http://www.dbs-ev.de/betroffene-und-angehoerige/therapeutenverzeichnis/
Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogike. V. http://www.dgs-ev.de/
Schweiz Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband www.logopaedie.ch/links-listen
www.dysphagie.ch/deutsch/adressen-diagnostik-therapie/

Stand: Juli 2022; kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Diagnostik von Schluckstörungen

Die Diagnose einer Schluckstörung erfolgt zu Beginn meist durch eine klinische Untersuchung, d. h. durch Befragung und Beobachtung der Be-troffenen sowie durch spezielle Schlucktests und manuelle Methoden. Typische Fragen, die in einem ersten Gespräch Hinweise auf das Vorliegen einer Schluckstörung geben können, sind unter anderem:

images Benötigen Sie länger als bisher für Essen und Trinken?

images Kam es in den letzten Wochen oder Monaten zu einer unbeabsichtigten Gewichtsreduktion? •} Kommt es während des Trinkens und Essens zu vermehrtem Räuspern, Hustenanfällen oder Atemnot?

images Klingt die Stimme während und/oder nach dem Essen oder Trinken verändert, beispielsweise „feucht" oder „gurgelnd"?

images Kommt es zu unklaren Fieberschüben, wiederkehrenden Infekten der Atemwege oder gar Lungenentzündungen?

Da durch Gespräche und klinische Methoden aber beispielsweise eine Aspiration nicht sicher erkannt werden kann, sind zusätzlich Untersuchungen mit medizinischen Geräten notwendig. Diese dienen dem Sichtbar-machen und der objektiven Beurteilung der Symptome einer Dysphagie.

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Die beiden wichtigsten instrumenteilen Untersuchungen sind die Videoendosko- pie des Schluckens (auch FEES® - Flexible Endoscopic Evaluation of Swallowing) und die Videofluoroskopie des Schluckens (auch VFSS - Videofluroscopic Swallowing Study oder „Schluckaktröntgen"). Bei beiden Methoden wird ein Video des Schluckvorgangs angefertigt - bei der FEES mittels eines dünnen Endoskops, welches durch die Nase eingeführt wird, bei der VFSS mittels eines Röntgengeräts. Die beiden

Untersuchungen ergänzen einander in ihren Vor- und Nachteilen. Je nach Fragestellung wird die geeignete Methode ausgewählt.

Ziele der Untersuchung einer Schluckstörung sind:

images Feststellen der Bewegungsabläufe, Symptome und Kompensationsmöglichkeiten

images Einschätzen der Gefahren, die durch das Schlucken von Speichel, Getränken und Speisen entstehen

images Abschätzen der notwendigen Akutmaßnahmen, sodass Atmung und ausreichende Ernährung gesichert sind

images Finden geeigneter Konsistenzen für die Nahrungsaufnahme

images Festlegen passender Therapieoptionen.

Das Ausmaß von Schluckstörungen kann stark variieren. Manche Betroffene haben nur geringe Probleme, beispielsweise beim Essen gemischter Konsistenzen, wie Kompott oder klare Suppe mit Einlage. Diese Personen können fast alle Lebensmittel und Speisen zu sich nehmen. Andere wiederum haben eine so stark ausgeprägte Dysphagie, dass sogar das Schlucken des eigenen Speichels zu Problemen führt und gar keine Nahrungsaufnahme über den Mund möglich ist. Dazwischen gibt es unzählige Abstufungen. Aus diesem Grund ist eine individuelle Untersuchung und Behandlungsplanung durch geschulte Fachleute besonders wichtig.

Therapie der Schluckstörung

Die Therapie von Schluckstörungen erfolgt in einem interdisziplinären Team. Ärzt:innen, Schlucktherapeut:innen, ernährungsmedizinische Fachkräfte, Pflegepersonen, Ergo- und Physiotherapeut:innen sowie Psycholog:innen sind an der Behandlung beteiligt.

Beim Auftreten einer Schluckstörung ist nach der eingehenden Untersuchung zunächst eine Akutversorgung notwendig. Das bedeutet, dass im Fall einer sehr schweren Schluckstörung die Atmung und die Ernährung der Betroffenen gesichert werden müssen. Hierfür können eine Versorgung mit Trachealkanülen zur Sicherung der Atmung sowie Ernährungssonden erforderlich sein.

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Ist die Akutbehandlung der Schluckstörung erfolgt, sollte eine weiterführende Therapie durch Schlucktherapeut:innen in Anspruch genommen werden.

Die Therapie umfasst in der Regel folgende Maßnahmen:

images Wiederherstellung der geschädigten Strukturen und eingeschränkten Funktionen, soweit möglich;

images Anpassung der Getränke- und Nahrungskonsistenzen, sodass eine möglichst sichere Ernährung erreicht wird;

images Auffinden geeigneter Hilfsmittel, welche die Nahrungsaufnahme für Betroffene erleichtern (siehe ab S. 24).

Therapiekonzepte

Zur Wiederherstellung der geschädigten Strukturen und eingeschränkten Funktionen gibt es verschiedene therapeutische Möglichkeiten. Die bekanntesten Therapiekonzepte sind in der folgenden Tabelle aufgelistet:

Therapiekonzepte

Bezeichnung Kurzbeschreibung
Funktionelle Dysphagie-therapie Kombiniert verschiedenste funktionsorientierte Übungen; bevorzugt jene, für die es einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis gibt.
Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) Funktionelle Behandlungsmethode; die Therapeutin, der Therapeut setzt in festgelegter Reihenfolge Reize, die die Muskelaktivität verbessern sollen (z. B. Druck, Dehnung, Vibration).
Facio-oral-Trakt-Therapie (F.O.T.T) Ganzheitliches Behandlungskonzept zum Wiedererlernen beeinträchtigter Funktionen; die Übungen erfolgen hauptsächlich im Rahmen von Pflege und Alltagsaktivitäten.
Therapie nach Castillo Morales Ganzheitliches, an der Funktionsweise des Nervensystems orientiertes Therapiekonzept; im Fokus stehen Hilfestellungen, welche die Betroffenen für Alltagstätigkeiten benötigen.

(kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Neben den genannten Methoden gibt es zunehmend wissenschaftliche Hinweise für die Wirksamkeit neuerer Ansätze wie z. B. Exspiratory Muscle Strength Training (EMST), transkranielle Stimulationsverfahren (tDCS, rTMS), neuromuskuläre elektrische Stimulation (NMES), pharyngeale elektrische Stimulation (PES) sowie pharmakologische Therapieansätze.

HINWEIS: Ihr Schlucktherapeut, Ihre Schlucktherapeutin wird nach der Untersuchung geeignete Therapiemethoden auswählen und ein individuelles Übungsprogramm für Sie zusammenstellen.

Ziele der Schlucktherapie sind unter anderem verbesserte Beweglichkeit, gesteigerte Kraft oder die selbstständige Anwendung von Schluck-techniken, um beispielsweise die Alltagsziele „sichere Speichelkontrolle", „Ernährung mit pürierter Kost", „Trinken uneingedickter Getränke" oder „Essen und Trinken im Kreise der Familie" zu erreichen.

HINWEIS: Ihre Ziele sollten im Rahmen Ihrer Therapie individuell abgesteckt und besprochen werden.

Empfehlungen für ein angepasstes Essverhalten

Zusätzlich zu den Übungen ist es in der Regel erforderlich, dass Betroffene ihr Essverhalten im Alltag der Schluckstörung anpassen. Im Folgen-den finden Sie allgemeine Empfehlungen, die die Gefahren durch Verschlucken und Aspiration beim Trinken und Essen minimieren können.

images Nehmen Sie sich zum Trinken und Essen Zeit.

images Achten Sie auf eine ruhige Umgebung. Schalten Sie Radio oder Fernseher aus.

images Nehmen Sie eine möglichst aufrechte Haltung ein.

images Essen Sie wenn möglich am Esstisch - vermeiden Sie es nach Möglichkeit, im Bett, auf der Couch oder an ähnlichen Orten zu essen!

images Ziehen Sie das Kinn beim Schlucken etwas zur Brust - achten Sie darauf, dass die Halswirbelsäule aufgerichtet ist.

images Sprechen Sie nicht während des Trinkens und Essens - achten Sie darauf, dass der Mund ganz leer ist, bevor Sie wieder sprechen.

images Nehmen Sie kleine Schlucke und Bissen.

images Räuspern Sie sich nach einigen Bissen/Schlucken und schlucken Sie noch einmal leer nach, d. h. ohne einen neuen Bissen/Schluck zu nehmen.

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images Falls Sie feste Speisen essen dürfen, kauen Sie diese sehr gut, bevor Sie schlucken. Halten Sie den Kopf dabei möglichst ruhig und aufrecht.

images Mischen Sie Speisen und Getränke nicht im Mund. Schlucken Sie erst die festen Speisen, bevor Sie etwas trinken.

images Sollten Sie sich verschlucken, beugen Sie den Oberkörper nach vorne und husten Sie kräftig ab.

images Informieren Sie Ihre Angehörigen/Betreuungspersonen darüber, dass Ihnen beim Husten nicht auf den Rücken geklopft werden soll.

images Unterdrücken Sie niemals das Husten, wenn Sie einen Hustenreiz verspüren.

images Achten Sie auf eine regelmäßige und gründliche Mundpflege.

images Falls Sie Zahnprothesen tragen, sollten diese regelmäßig zahnärzt-lich überprüft werden.

images Bleiben Sie nach dem Essen noch einige Minuten aufrecht sitzen.

HINWEIS: Da Schluckstörungen sehr vielseitig sind, hat Ihnen Ihr Schlucktherapeut/Ihre Schlucktherapeutin eventuell andere Empfehlungen gegeben, die nicht mit den oben genannten Tipps übereinstimmen. Halten Sie sich in diesem Fall bitte an Ihre individuell besprochenen Verhaltensmaßnahmen beim Essen!

Über diese allgemeinen Tipps hinaus gibt es spezielle Schlucktechniken, die im Rahmen einer Therapie erlernt werden können. Sie führen dazu, dass die anatomischen Verhältnisse und die Bewegungsabläufe während des Schluckens verändert werden, sodass die Gefahr des Verschluckens und somit die Gefahr einer Lungenentzündung sinkt.

Eine Schlucktechnik, die bei sehr vielen Betroffenen das Risiko minimiert, dass Getränke- oder Speiseanteile in die unteren Atemwege gelangen, ist das „Chin-down/Chin-tuck"-Manöver (siehe Abbildung S. 21). Hierbei wird vor und während des Schluckens bewusst darauf geachtet, dass der Nacken aufgerichtet ist und das Kinn leicht zur Brust gezogen wird. Auch andere Haltungsänderungen, wie das Neigen des Kopfes oder das Drehen des Kopfes zur Seite, können den Schluckablauf gegebenenfalls positiv beeinflussen.

„Effortful Swallowing", also das kräftige Schlucken, soll dafür sorgen, dass weniger Reste im Rachen zurückbleiben.

Andere Techniken wie das sogenannte „supraglottische Schlucken" oder das „super-supraglottische Schlucken" zielen darauf ab, dass der Verschluss der Atemwege während des Schluckens verbessert wird. Eine Technik namens „Mendelsohn-Manöver" soll die Öffnung des Speiseröhren-Eingangs ermöglichen bzw. verstärken, sodass Speichel, Getränke und Speisen wieder hindurchgleiten können.

HINWEIS: Ob Schlucktechniken in Ihrem Fall hilfreich sind und wie Sie diese genau anwenden, klären Sie am besten im Rahmen Ihrer Therapie.

Ein weiterer Aspekt der Therapie von Schluckstörungen ist, festzulegen, welche Nahrung trotz verändertem Schluckablauf gegessen werden darf. Diese Aufgabe wird in der Regel ebenfalls von Schlucktherapeut:innen übernommen. Sie müssen dabei einschätzen, welche Konsistenzen die Betroffenen sicher zu sich nehmen können, also bei welcher Kost eine möglichst geringe Gefahr besteht, dass Getränke oder Speiseanteile in die unteren Atemwege gelangen - d. h. aspiriert werden - und eventuell zu einer Lungenentzündung führen können.

Möglichkeiten zur Anpassung der Konsistenz sind das Andicken von Getränken mittels eines Andickungsmittels aus der Apotheke (siehe S. 38) sowie die Änderung von Speisekonsistenzen unter anderem durch Weichkochen, Kleinschneiden, Pürieren oder Weglassen gewisser Lebensmittel.

Die Einstufung der geeigneten Lebensmittel erfolgt in der Regel durch Kostformstufen oder Phasen. Ein weltweites Forschungsprojekt - die „International Dysphagia Diet Standardisation Initiative" (internationale Initiative zur Standardisierung von Schluckstörungskost, kurz IDDSI) - hat einen wichtigen Schritt gesetzt, um eine Vereinheitlichung zu beginnen. Ziel der Initiative ist eine weltweit standardisierte Benennung und Beschreibung von modifizierter Kost und Getränken für Personen mit Dysphagie. Eine erste Version weltweit einheitlicher Empfehlungen wurde 2016 herausgegeben2. Seit 2019 gibt es diese auch für den deutschsprachigen Raum. Die einheitliche Einstufung erleichtert die Behandlung enorm.

Die Konsistenzdefinitionen sowie die Rezepteinstufungen in diesem Buch sind an die derzeitigen Vorgaben der IDDSI angelehnt und bringen sie mit den bisher üblichen Begriffen in Einklang.

HINWEIS: Wenn Sie im Rahmen Ihrer Therapie Empfehlungen für eine geeignete Ernährung erhalten haben, versuchen Sie diese bestmöglich mit den Erklärungen und Rezepten ab Seite 46 abzugleichen. Wählen Sie keine Rezepte aus, die über die erlaubten Konsistenzen hinausgehen! Überprüfen Sie bei jeder Speise, ob sie mit der vereinbarten Kostform übereinstimmt!

Zusätzlich zu den geeigneten Getränke- und Speisekonsistenzen werden in der Therapie von Schluckstörungen bei Bedarf Hilfsmittel eingesetzt, welche die Nahrungsaufnahme erleichtern. Häufig verwendete Trink- und Esshilfen sind:

Trinkhilfen

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images Nasenkerbenbecher
Ein Trinkbecher mit ausgeschnittener Nasenkerbe ist für fast alle Personen mit Schluckstörung hilfreich. Der Becher kann vollständig gekippt werden, da die Nase in der Aussparung Platz findet. Der Kopf kann dadurch beim Trinken aufrecht gehalten werden. Einen ähnlichen Effekt erzielen Sie mit einem Glas von sehr großem Durchmesser.

images Dosierbecher
Spezielle Dosierbecher geben immer nur eine bestimmte Menge an Flüssigkeit pro Schluck frei. Somit soll das Risiko minimiert werden, aufgrund eines zu großen Schluckes Flüssigkeit zu aspirieren.

images Schnabelbecher mit Strohhalm
Während Schnabelbecher ohne zusätzlichen Strohhalm für Personen mit Schluckstörung meist nicht geeignet sind, weil sie eine ungünstige Kopfposition fördern, können sie mit einem Strohhalm kombiniert hilfreich sein. Dabei wird der Strohhalm in die Schnabelöffnung gesteckt. So können Personen, die beispielsweise aufgrund starker Zittrigkeit Flüssigkeiten leicht verschütten, selbstständig trinken. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn Flüssigkeiten im Mund nur schwer kontrolliert werden können!

Esshilfen

images Griffverdickung für Besteck
Schaumstoffrohre, die auf einer Seite aufgeschnitten werden, können als einfache Griffverdickung für Besteck dienen. Zudem gibt es spezielles Besteck mit dickem Griff. Dies ist hilfreich bei Motorikbzw. Sensibilitätsdefiziten in den Händen.

images Gebogenes Besteck
Speziell vorgebogenes Besteck kann die Nahrungsaufnahme ebenfalls erleichtern, wenn die motorischen Fähigkeiten eingeschränkt sind. Je nachdem, mit welcher Hand gegessen wird, muss das Besteck in die richtige Richtung gebogen sein.

images Schiebelöffel
Ist der Transport durch den Mund, beispielsweise aufgrund einer Zungenlähmung, eingeschränkt, kann mithilfe eines Schiebelöffels die Speise sehr weit hinten im Mund platziert werden.

images Tellerranderhöhung/Teller mit hohem Rand
Wird z. B. bei einer halbseitigen Lähmung nur mit einer Hand gegessen, ist ein erhöhter Tellerrand bzw. eine Tellerranderhöhung, die nachträglich auf dem Teller montiert werden kann, womöglich hilfreich. Auf diese Weise wird das Aufnehmen der Speisen erleichtert, wenn nicht mit einem Messer in der zweiten Hand gearbeitet werden kann.

images farbige Geschirrumrahmung
Geschirr mit einem deutlichen, farbigen Rand kann bei Sehstörungen die Nahrungsaufnahme erleichtern, weil besser wahrgenommen wird, wo ein Teller, eine Schüssel etc. endet.

HINWEIS: Die Hilfsmittel, die Ihnen die Nahrungsaufnahme erleichtern, sollten Sie im Rahmen Ihrer Therapie gemeinsam mit Ihrem Schlucktherapeuten, Ihrer Schlucktherapeutin testen und auswählen!

Hilfestellungen bei der Nahrungsaufnahme

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Wann immer möglich, sollte die Nahrungsaufnahme selbstständig erfolgen. Dabei werden Informationen wie Geruch, Temperatur, Konsistenz oder Menge der Getränke und Speisen aufgenommen, die den darauffolgenden Schluckablauf bereits beeinflussen.

Wenn Hilfestellungen notwendig sind, sollten sie schrittweise erfolgen. So kann Ihnen beispielsweise jemand Nahrungsmittel vorab schneiden oder die Hand mit dem Becher oder dem Besteck führen.

Sollten Sie allerdings darauf angewiesen sein, dass Ihnen Getränke und Essen zum Mund gereicht werden, ist es hilfreich, wenn die helfende Person folgende Tipps kennt:

images Die Speisen und das Getränk sollten direkt vor Ihnen stehen und Sie sollten eine aufrechte Sitzhaltung einnehmen.

images Vor dem Essen sollte nochmals überprüft werden, ob die Speisen und das Getränk den vorgegebenen Konsistenzen entsprechen.

images Die Person, die hilft die Speisen und Getränke einzunehmen, sollte auf Augenhöhe mit Ihnen sein.

images Es sollten Ihnen kleine Schlucke und Bissen angeboten werden.

images Bevor der nächste Schluck getrunken oder der nächste Bissen gegessen wird, sollte Ihr Mund ganz leer sein.

images Das Tempo wird von Ihnen bestimmt. Die helfende Person sollte Ihnen Zeit geben, um in Ruhe und gegebenenfalls unter Anwendung der erlernten Schluckmanöver zu schlucken.

images Die helfende Person sollte nur Fragen stellen, wenn Sie bereits geschluckt haben.

images Da Plaudern ablenken könnte, sollten Gespräche außerhalb der Essenszeiten stattfinden.

images Klingt Ihre Stimme belegt, sollten Sie räuspern und noch einmal leer nachschlucken; die helfende Person kann Sie daran erinnern.

images Nach dem Essen gegebenenfalls Nahrungsreste aus dem Mund entfernen und eine Mundpflege durchführen.

images Bleiben Sie nach dem Essen noch einige Minuten aufrecht sitzen.

2 The International Dysphagia Diet Standardisation Initiative 2016, vgl. http://iddsi.org/resources/framework/

ERNÄHRUNGSTHERAPIE

Vorweg: Nehmen Sie Hilfe in Anspruch!

Wenden Sie sich bei ernährungsmedizinischen Fragen an spezialisierte Therapeut:innen.

In diesem Buch wird in weiterer Folge der Begriff „ernährungsmedizinische Fachkraft" verwendet, da in Österreich, Deutschland und der Schweiz jeweils unterschiedliche Ausbildungen und Berufsbezeichnungen üblich sind. In den meisten Kliniken und Reha-Zentren sind medizinische Ernährungsberater:innen verfügbar. Freiberufliche Expert:innen finden Sie unter folgenden Kontaktmöglichkeiten:

Land Organisation Kontaktmöglichkeit
Österreich Verband der Diaetologen Österreichs http://www.diaetologen.at/suche
Deutschland Verband für Ernährung und Diätetik e. V. https://www.vfed.de/de/fachkräfte-suche/fachkräfte-suche
Schweiz Schweizerischer Verband der Ernährungsberater/innen SVDE http://www.svde-asdd.ch/beraterinnen-suche/

Stand: Juli 2022; kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Durch individuelle Konsistenzanpassung an das Erkrankungsbild kann, wie im vorangegangenen Kapitel erwähnt, das Aspirationsrisiko gesenkt werden. Passierte Kost, weiche, kleingeschnittene Speisen und auch Andickungsmittel für Flüssigkeiten bzw. Getränke können hierfür eingesetzt werden.

Sie haben im Krankenhaus, in der Rehabilitationsklinik oder einer Pflegeeinrichtung bestimmt schon Eindrücke sammeln können, was dies im Detail bedeuten kann. Doch wie ist die Umsetzung zu Hause möglich?

Welche Konsistenzen üblicherweise unterschieden werden und worauf Sie bei der Zubereitung achten sollten, wollen wir Ihnen daher in den folgenden Kapiteln näherbringen. Unsere Rezeptauswahl soll Sie bei der Umsetzung unterstützen. Einfache Rezepte bieten ungeübten Köch:innen und Neueinsteiger:innen im Bereich der konsistenzangepassten Kost eine Orientierung an möglichen Techniken und können auch bei Zeitnot schnell zubereitet werden. Nationale, internationale und saisonale Gerichte lassen vielleicht auch das Herz von geübten Hobbyköch:innen höher schlagen und beflügeln zu eigenen Kreationen.

Konsistenzangepasste Kost

Wie im Kapitel „Therapie der Schluckstörung" (siehe S. 19) bereits erwähnt, gab es bis vor kurzem weder national noch international einheitliche Empfehlungen. Oftmals wurde bei Speisen von „breiig" und „weich" sowie bei Getränken von „sirup-", „honig-" und „puddingartig" gesprochen, ohne jedoch genau zu definieren, was konkret damit gemeint ist. Denn was bedeutet „honigartig" eigentlich? Blütenhonig ist deutlich flüssiger als Cremehonig, kalter Honig fester als warmer. Folglich unterlag die Konsistenzanpassung dem persönlichen Verständnis und der Interpretation dieser Begriffe von Betroffenen, Angehörigen, Pflegenden und Therapeut:innen. Das Risiko einer Aspiration und oft auch die persönliche Unsicherheit waren erhöht.

Die International Dysphagia Diet Standardisation Initiative (IDDSI) hat daher erstmals Empfehlungen für Konsistenzstufen von Speisen und Getränken für Schluckstörungspatient:innen herausgegeben - mit dem Ziel, dass diese weltweit einheitlich umgesetzt werden. Auf diese Weise wurden unterschiedlich verstandene Empfehlungen auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse vereinheitlicht und klar dargestellt. So ist es beispielsweise auch bei wechselnder medizinischer Versorgung oder Betreuungseinrichtung möglich, die empfohlene Kost schnell zu erkennen und entsprechend anzubieten. Für die IDDSI-Leitlinien wurden acht Konsistenzstufen entwickelt (siehe Anlehnung an die IDDSI-Pyramide, S. 45).

Im Folgenden stellen wir Ihnen die IDDSI-Empfehlungen für Flüssigkeiten bzw. Getränke sowie Speisen näher vor. Basierend auf unseren Erfahrun-gen bringen wir sie mit den bisher üblichen Begriffen in Einklang:

Trinken

Bisher empfohlene Konsistenzformen Annähernd vergleichbar mit IDDSI-Stufe
flüssig Stufe 0 = dünnflüssig
Stufe 1 = leicht dickflüssig
sirup-/nektarartig Stufe 2 = mäßig dickflüssig
honigartig Stufe 3 = stark dickflüssig
puddingartig Stufe 4 = extrem dickflüssig

Essen

Bisher empfohlene Konsistenzformen Annähernd vergleichbar mit IDDSI-Stufe
flüssig-breiig Stufe 3 = stark dickflüssig
dickbreiige, homogene, pürierte Konsistenz Stufe 4 = breiig/püriert
Stufe 5 = zerkleinert & durchfeuchtet
weiche, saftige Kost; kleingeschnitten Stufe 6 = weich & mundgerecht
Normalkost Stufe 7 = leicht zu kauen Normalkost

TIPP: Suchen Sie Ihre Konsistenzstufe (die Ihnen Ihre Therapeutin, Ihr Therapeut empfohlen hat) in der oben angeführten Tabelle. Im Rezeptteil dieses Buches finden Sie anschließend köstliche Ideen entsprechend Ihren individuellen Empfehlungen.

HINWEIS: Beachten Sie, dass die allgemein zu erwartende Eignung eines Lebensmittels jedoch von vielen Faktoren abhängig ist. Wird z. B. ein Eintopf bei hoher Hitze ohne Deckel zubereitet, so wird er dicker werden, als wenn er genauso lange zugedeckt auf kleiner Flamme gekocht wird. Trotz gleicher Speise ist die Konsistenz somit eine andere. Des Weiteren können die individuellen Vorgaben Ihres Therapeuten, Ihrer Therapeutin aus vielerlei Gründen von den nun folgenden allgemeinen Empfehlungen abweichen. Konsistenzempfehlungen, die auf Sie persönlich abgestimmt wurden, sind im Sinne Ihrer eigenen Gesundheit immer vorrangig zu beachten! Im folgenden Kapitel finden Sie hilfreiche Praxistipps.

Umsetzung der Empfehlungen in die Praxis

Sie kennen das bestimmt: Alle kochen nach dem gleichen Rezept und dennoch ist das Ergebnis bei allen verschieden - sei es nun die Optik, die Konsistenz, der Geschmack oder alles zusammen. Die Eigenschaften unserer Lebensmittel - ob sie also flüssig, weich, cremig, hart, breiig etc. sind - hängen nämlich von vielen Faktoren gleichzeitig ab und sind bei Schluckstörungen besonders wichtig.

Zu diesen Faktoren zählen

Einflussfaktoren Begründung
Wassergehalt Als Grundlage dafür, ob Speisen/Getränke eher flüssig oder fest sind.
Neigung eines Lebensmittels, Wasser abzuge-ben oder aufzunehmen Unverpacktes Brot trocknet aus und wird hart; offen gelagerte Kekse nehmen Luftfeuchtigkeit auf und werden weich.
Art der Belastung Wird gerührt, püriert, gestampft ...? Ein gemixtes Kartoffelpüree wird oft zäh und klebrig, während ein gestampftes meist locker und luftig wird.
Dauer und Stärke der Belastung Wie lange, wie stark und wie schnell wird das Lebensmittel bearbeitet? Je länger püriert wird und je höher die Umdrehungszahl der Messer ist, desto feiner wird es.
Konzentration der einzelnen Zutaten und ihrer inhaltsstoffe Wie viel Binde-/Andickungsmittel wird verwendet? Mit wie viel Speichel wird die Nahrung im Mund vermengt (Mundtrockenheit im Gegensatz zu erhöhtem Speichelfluss)?
Temperatur Bei wie viel °C wird die Speise zubereitet, gelagert und gegessen? Eis wird bei über 0 °C wieder flüssig; bei hohen Temperaturen bilden sich Krusten; frisch gekochter Pudding ist cremig, bildet beim Auskühlen jedoch eine feste Haut und stockt.
pH-Wert Wie sauer ist das Lebensmittel? Andickungsmittel können je nach pH-Wert unterschiedlich stark andicken.
Art und Konzentration von Mineralstoffen, ins-besondere von Kalzium Kalziumreiches Trinkwasser, aber auch Milch/Milchgetränke benötigen meist mehr Andickungsmittel im Vergleich zu kalziumarmen Flüssigkeiten, um die gleiche Andickung zu erreichen.
Abbauvorgänge durch Mikroorganismen bzw. Enzyme So können die Enzyme im Speichel die Stärke in Lebensmitteln teilweise abbauen; die bindende Wirkung kann dadurch vermindert werden.

Ist die Konsistenz eines angedickten Getränks oder einer zubereiteten Speise einmal anders als erwartet, so kann einer der soeben genannten Punkte der Grund dafür sein.

Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren sollten alle Getränke und Speisen - auch die Rezepte in diesem Buch - direkt vor dem Verzehr auf ihre Eignung gemäß der Ihnen empfohlenen Konsistenzstufe geprüft werden.

Küchenhelfer und Zubereitungshinweise: So geht alles gleich viel leichter ...

Folgende Küchengeräte und Tricks können Ihnen die Zubereitung von konsistenzdefinierten Speisen wesentlich erleichtern:

Feines Sieb Wenn Sie die Masse durch ein feines Sieb streichen, so bleiben Fasern und feste Stücke im Sieb zurück.
Pürierstab Pürieren ist die einfachste Art, um weichen, saftigen Speisen eine cremige, homogene Konsistenz zu verleihen. Sind danach Stücke in der Masse zu erkennen, die nicht der Ihnen empfohlenen Konsistenz entsprechen, so müssen Sie die Speise zusätzlich durch ein feines Sieb streichen. Ist die Masse zum Pürieren zu trocken, geben Sie schrittweise Flüssigkeit hinzu.
Stärkereiche Speisen wie z. B. Getreidebreie und Kartoffeln werden durch Pürieren oft zäh und klebrig - streichen Sie solche Speisen wenn möglich nur durch ein feines Sieb!
Zudem kann Mehl durch langes Pürieren seine bindende Eigenschaft verlieren. Stoppen Sie das Pürieren daher ehestmöglich.
Flotte Lotte Durch die verschiedenen Passieraufsätze können Sie unterschiedlich feine Pürees herstellen.
Gelangen Stücke ins Passiergut, die für Ihre persönlich empfohlene Konsistenz nicht geeignet sind, so muss zusätzlich püriert bzw. fein passiert werden.
Smoothie- Maker Smoothie-Maker können aufgrund ihres starken Motors und der Messerführung auch feste Bestandteile wie Pflanzenfasern und -schalen fein pürieren.
Kutter Für die Zubereitung einer Farce unverzichtbar! Kreieren Sie damit feinste Fleisch- und Fischgerichte. Da sich der Motor beim Betrieb erwärmt, sind Geräte, bei denen sich der Motor neben oder über dem Mixbehälter befindet, besonders zu empfehlen. Die Temperatur der Speise bleibt dadurch auch ohne die Zugabe von Eis konstant und das Eiweiß gerinnt nicht.
Fleischwolf Weiche, grobe Massen sowie Fleisch und Fleischzubereitungen können Sie damit für die weitere Verarbeitung optimal vorbereiten. Bei Fleisch ist doppeltes bzw. dreifaches Faschieren/Wolfen besonders zu empfehlen, da die Stücke auf diese Weise wesentlich kleiner werden und daher ab IDDSI-Stufe 5 besser geeignet sind.

Des Weiteren sind hilfreich:

images ein Schneebesen für einfacheres Einrühren/Vermischen von Zutaten;

images ein Dämpfeinsatz für die vitaminschonende Zubereitung;

images ein verschließbares Tee- bzw. Gewürzei oder Einweg-Säckchen, um grobe und feste Gewürze (z. B. Rosmarinnadeln, Gewürznelken) mit- zukochen und leicht wieder entfernen zu können;

images hitzebeständige Förmchen für die Zubereitung von Soufflés;

images ein Druckkochtopf für die schnelle Küche, aber auch, um Fleisch rasch sehr weich zu kochen;

images ein Gemüsehobel oder eine Küchenmaschine mit einem Aufsatz zum Schneiden von Stiften, Sticks, Würfeln etc.;

images eine iSi®-Flasche für die Zubereitung von süßem und pikantem Schaum inkl. Kapseln für die Zubereitung von Sahne.

TIPP: Im Internet finden sich unter dem spanischen Begriff „Espuma" viele Rezeptideen.

Besonders empfehlenswert sind Pürierstab-Sets bzw. Küchenmaschinen, die mehrere Funktionen vereinen. Zu diesen zählen beispielsweise folgende Geräte:

images Bosch MS6CM6155 Stabmixer ErgoMixx Style

images Pürieren (4-Klingen-Messer)

images Kuttern

images Aufschlagen (Schneebesen)

images Püreestampfer-Aufsatz

images Mixbecher

images Kenwood HDP 408WH Stabmixer Set („Triblade")

images Pürieren (3 Messer)

images Soup-XL-Mixstab

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783991116424
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Januar)
Schlagworte
IDDSI-Flow-Test Diagnostik Schluckstörungen Symptome Andickung Konsistenzangepasste Kost Ernährungsempfehlungen gesunde Ernährung Dysphagie Therapie Mangelernährung

Autoren

  • Flora Koller (Autor:in)

  • Martina Kreuter-Müller (Autor:in)

  • Caroline Janac (Autor:in)

  • Magdalena Tomic (Autor:in)

Caroline Janac, MA BSc Freiberufliche Diätologin in Wien, Erfahrung in der klinischen, neurorehabilitativen und geriatrischen Diätetik. Zertifiziert für die Einstufung von Speisen und Getränken und die manuellen Prüftechniken auf Grundlage der IDDSI-Deskriptoren. Schwerpunkte: Ernährung bei Schluckstörungen, COPD und Diabetes mellitus Typ 2. Mag.a Flora Koller Diätologin in einem Krankenhaus in Wien und freiberuflich schreibend, lehrend und beratend tätig. Schwerpunkte: Ernährung bei Schluckstörungen, bei Tumorerkrankungen und bei gastroenterologischen Erkrankungen sowie betriebliche Beratung bei ernährungsspezifischen Fragestellungen. Martina Kreuter-Müller Diätologin in einem Krankenhaus in Wien sowie im Bereich Trink- und Zusatznahrungen, freiberufliche Tätigkeit als Autorin und ernährungsmedizinische Beraterin. Schwerpunkte: Mangelernährung, klinische Ernährung und Gastroenterologie. Magdalena Tomić, MSc Logopädin in einem Krankenhaus in Oberösterreich, zuvor langjährig in einem neurologischen Rehabilitationszentrum tätig, freiberufliche Vortragstätigkeit. Schwerpunkte: logopädische Diagnostik und Therapie bei neurologischen Erkrankungen.
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Titel: Ernährung bei Schluckstörungen